Patrick Poetsch: Ein Amboss in der European League of Football

Patrick Poetsch 2014 im Amboss-Trikot - Foto: footballpics.us by HP

Jetzt ist auch der AFC Remscheid Amboss in der European League of Football (ELF) angekommen. Patrick Poetsch, der seine ersten Football-Schritte beim Amboss absolvierte, spielt künftig als Fullback für die Cologne Centurions. Die vom bekannten Football-Moderator Patrick Esume gegründete neue Liga soll dabei ab Ende Juni an den Start gehen – und somit ist auch ein klein wenig Remscheid in dem neuen Wettbewerb vertreten, der sich zu einer Profi-Liga entwickeln soll.

Glaubt man Amboss-Präsident Christian Müller, dann war die ELF der nächste logische Schritt für Poetsch, der 2018 bei den World Games für die deutsche Nationalmannschaft debütierte. “Patrick hat ein unglaubliches Talent und einen Mut seinen Weg zu gehen”, so Müller. Und weiter: “Sein Erfolg hat ihm immer recht gegeben. Er ist ein Top-Athlet und Aushängeschild des Remscheider Footballs”. REMSCHEID-AMBOSS.de hat sich mit Poetsch über die Centurions, den Amboss und seinen Werdegang unterhalten.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Hallo Patrick, herzlichen Glückwunsch zu Deinem Engagement bei den Cologne Centurions. Die ELF ist ein neuer Wettbewerb. Mit welchen Erwartungen gehst Du in die neue Liga?

Patrick Poetsch: Vielen Dank erstmal und es freut mich sehr, dass mein Wechsel so positiv angenommen wird. Meine Erwartungen und Hoffnungen sind, dass die ELF das erste Jahr übersteht, dass die Liga die Resonanz bekommt, die sie versucht zu generieren und dass dieser Hype dem gesamten Sport hilft, neue, junge Leute in die Vereine zu bringen. Außerdem wünsche ich mir, dass die Vision entsteht, dass man diesen Sport nicht nur als Hobby betreiben kann, sondern, dass wenn man Gas gibt, ihn als Erwachsener auf bezahlter Basis spielen kann.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Als Fullback bist Du rein nominell Vorblocker von Runningback Chris Ezeala, der zuletzt NFL-Erfahrung bei den Baltimore Ravens gesammelt hat. Wie groß ist die Vorfreude mit jemandem mit NFL-Erfahrung auf dem Platz zu stehen?

Poetsch: Ich freu mich auf jeden Fall. Ich habe am Wochenende mit ihm länger gesprochen und mich ausgetauscht. Nominell bin ich Fullback, werde aber auch long snappen und den Ball situativ als H-Back oder Tailback bekommen. Das schöne an der Sache ist, dass uns das Backfield die Möglichkeit gibt, variabel zu sein. Egal wer vorblocken wird, egal wer den Ball laufen wird, du hast nie Qualitätsverlust. Dadurch, dass Chris dieses Wissen aus der NFL mitbringt, ist es auch ein Mega-Ding nochmal für mich zu verstehen, wie Winkel angewendet werden, wie, wo, was. Wie können wir etwas angehen, worauf müssen wir achten. Ich profitiere halt von dem Austausch, dass er diese Erfahrung mitbringt.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Deine ersten Erfahrungen auf dem Football-Platz hast Du ab 2005 in der Amboss-Jugend gemacht. Welche Erinnerungen hast Du an Deine Anfänge beim Amboss?

Poetsch: Naja, ich hab damals in der Amboss-Jugend angefangen, weil meine Mutter mich mit der Drohung auf Taschengeldentzug dazu gezwungen hat. Der Amboss hatte ein Sommerferienlager und sie meinte, “jetzt geh da mal hin mit deinen Brüdern”. Meine Brüder waren dann für Flag-Football da, ich hatte aber gar keinen Bock, war mehr für Rollhockey und Handball. Ich bin dann richtig sauer mit dem Mofa hingefahren und nach vier, fünf Stunden kam ich freudestrahlend raus und wusste, ich habe meinen Sport gefunden. Dann hatte ich das erste Training mit der Jugendmannschaft, einen Monat später das erste Spiel. Ich habe dann als einer der “Neuen” auch gleich viel Spielzeit bekommen.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Wie war Dein weiterer Werdegang?

Poetsch: Dann kam die High School in Kanada von 2007 auf 2008. Das Lustige ist, dass meine Mutter damals gesagt hat “mach Dir jetzt keine Gedanken, wenn Du nur auf der Bank sitzt, die Kinder spielen das schon ihr Leben lang.” Nach zweieinhalb Wochen hat sie dann einen Zeitungsartikel bekommen, in dem stand, dass ich Stammspieler bin. 2008 bin ich dann zum Amboss zurückgekommen, hatte ein gutes Jahr, den Aufstieg nur knapp verpasst. Dann kam ich in die Senioren, der Amboss war damals nur in der vierten Liga und ich wollte unbedingt aufs College und brauchte ein Highlight-Tape. Deswegen habe ich den Schritt nach Bonn in die GFL2 gewagt. Das war ein cooles Jahr, weil Bonn eine ganz andere Offense gespielt hat. Als der Amboss dann in die 3. Liga aufgestiegen ist, bin ich 2010 zurück, um die zeitliche Belastung zu minimieren und vor Ort zu sein. Nach zwei Jahren bin ich dann aufs College in die USA, habe aber in den Sommerferien in Deutschland wieder für den Amboss gespielt und direkt einen Import mitgebracht. Im Sommer 2013 habe ich für Düsseldorf Panther gespielt und 2014 nochmal für den Amboss sowie 2015 ein Spiel für Remscheid gegen Solingen. Ich bin dem Amboss im Prinzip immer treu geblieben. Der Amboss hatte ja auch immer ganz wettbewerbsfähige Teams, konnte gut mithalten, es hat halt aber nie ganz für den Aufstieg in die GFL2 gereicht. Das war es dann mit der Amboss-Geschichte.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Was kam nach dem Amboss?

Poetsch: 2016 bin ich dann wieder nach Amerika, habe dann die NFL-Vorbereitung mitgemacht, Minicamps, aber leider hat es nicht geklappt. Von dort bin ich nach Österreich für ein paar Monate, bin dann nochmal zurück, hab es aber wieder nicht in die NFL geschafft. Im Sommer 2017 bin ich dann nach Deutschland zurückgezogen, hab dann bei den Solingen Paladins angeheuert und bin darüber zur Nationalmannschaft gekommen. 2019 bin ich dann nochmal in die AFL nach Österreich, hab einen Kumpel mitgenommen, was insgesamt eine sehr coole Sache war. Leider ist mir im zweiten oder dritten Spiel ein eigener Mann auf den Knöchel gefallen und hatte mich verletzt. Um dann einen Abschluss zu finden, bin ich dann nochmal nach Solingen und danach als Trainer zu den Dortmund Giants, wo ich aber nur kurz war, weil ich mit der Marschrichtung des Vorstands nicht einverstanden war. Danach habe ich mir überlegt “was machste?” und habe nochmal Motivation gefunden unter Shuan Fatah in der ELF für die German Knights zu spielen. Das hatte sich dann aber erledigt, durch den Rückzug der German Knights. Und nun bin ich bei den Centurions.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Du hast entsprechend viel erlebt, was würdest Du als Deinen bisherigen Höhepunkt als Football-Spieler bezeichnen?

Poetsch: Der Holiday-Bowl in San Diego war einer meiner Höhepunkte. Tatsächlich auch ein Amboss-Jugendspiel 2006 beim 22:22 gegen die Cologne Falcons. Fragt mich nicht warum, aber das Spiel hat sich einfach so eingebrannt. Wir hatten “Dritter und 22” und ich schaffe das First Down, mein Mitspieler Clemens Riecke hat einen Salto in die Endzone gemacht, das sind so Momente, die sich in meinem Kopf eingebrannt haben. Ein anderes Highlight war der Aufstieg mit Solingen in die GFL2 oder als ich mit der Nationalmannschaft bei den World Games gegen die USA gespielt habe sowie das Finale gegen Frankreich. Das war damals in Polen und genau in dieses Stadion kehre ich mit den Centurions ja in dieser Saison zurück. Aber es gab auch Lehrstunden mit den Paladins in einem Highlight-Jahr. 2018 die Niederlage gegen die Panther durch ein verschossenes Fieldgoal oder die unnötige Niederlage gegen Lübeck.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Mit Amboss-Präsident Müller stehst Du noch immer in gutem Kontakt. Er war auch mal Dein Head Coach im Senioren-Bereich und benennt Dich als einen der “zielstrebigsten Spieler, die er je trainiert hat”. Ist das das Geheimnis Deines Erfolgs?

Poetsch: (lacht) Da muss ich mal kurz zurückdenken. Ich habe als junger Teenager, als ich zum Amboss gekommen bin, das erste Playbook von Edgar Pohl bekommen. Da stand dann drin “Niemand von Euch wird jemals mit Football sein Geld verdienen”. Und dann kam der 14- oder 15-jährige Patrick, ging zum Coach und sagte: “Hey, ich schaff das”. Ich habe dann eine dementsprechende Reaktion bekommen, was verständlich ist, wenn einer, der noch nie Football gespielt hat, mit so einem Spruch ankommt. Aber diese Zielstrebigkeit hat mir auf jeden Fall geholfen, in Amerika zu spielen. Ich wollte damit meinen Lebensunterhalt verdienen, und egal, wie es kommt, wenn man sich Ziele setzt, dann kann man ansetzen, daran zu arbeiten. Denn wenn ich ein Ziel habe und es mir vor Augen halte, dann kann ich es auch besser angehen, ohne dass man sich von links und rechts ablenken lässt. Der Weg dahin ist auf jeden Fall eine schöne Reise. Natürlich kann man es auch als Hobby spielen mit dem Ziel “ich will Spaß haben”, das ist auch nicht verwerflich, aber nicht mein Weg.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Wie hast Du den Fokus als Jugendlicher halten können?

Poetsch: Es gibt schon ein paar Dinge, die einem klar sein müssen. Wenn ich höher spielen will, dann muss ich auch bereit sein, dafür Opfer zu bringen und auf andere Dinge zu verzichten. Partyleben zum Beispiel. Und dir muss halt klar sein, wenn es dein Job wird, schon ab dem College, dann gibst Du für dein Stipendium deine Seele oder deinen Körper her. In dem Moment ändert sich Football von Hobby und Liebe zu “damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt, es finanziert mir mein Studium”. Wenn ich dazu nicht bereit bin, muss ich es lassen. Ich hatte zum Beispiel einen Mitspieler an der William Penn University, der war ein krasser Athlet und Footballspieler, aber er war Mormone und hat gesagt “Ich spiele sonntags kein Football”. Der war von der NFL eingeladen zum Combine, ist dahin, sollte dann ins Trainingslager und hat abgelehnt. Und da sind wir wieder bei Zielstrebigkeit. Man hat ein Ziel und will dahin kommen, aber sein Ziel war nie Profi zu werden.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Zurück zum Amboss: Was macht den Amboss für Dich aus?

Poetsch: Was den Amboss in der Jugend für mich ausgemacht hat, war, dass Kinder aus allen verschiedenen Backgrounds zusammengekommen sind. Du wurdest nie für das verurteilt, woher Du kamst, sondern für das geachtet, wie Du warst. Das darf der Amboss auch nicht verlieren, das muss auch in Zukunft die Identität sein. Genau das macht es auch aus, dass man als Remscheider Verein Menschen aus allen Hintergründen und Nationen zusammenbringt und unter einem Helm vereint. Am Ende sind alle gleich unter einem Footballhelm. Gerade bei höheren Vereinen, die nicht organisch gewachsen sind, merkt man es im Gegensatz extrem, dass man dieses Familiäre nicht mehr haben kann. Das habe ich in Österreich und in der GFL erlebt, selbst bei den Panthern, die eigentlich ein großes Familiending sind.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Der Amboss legt viel Wert auf seine Jugendarbeit. Würdest Du aus Deiner Erfahrung heraus Jugendlichen, die mit dem Football beginnen wollen, den Amboss empfehlen?

Poetsch: Auf jeden Fall. Ich bin eh ein Freund davon, in der Jugend da zu spielen, wo man herkommt. Wechseln kann man auch später noch, für einen Jugendspieler ist der Amboss perfekt. Der Verein hat gute Möglichkeiten mit der Leihausrüstung, demnächst mit dem neuen Sportplatz. Das sind Möglichkeiten, die andere Vereine nicht unbedingt haben. Der Amboss bietet damit eine geniale Grundlage, um mit Football anzufangen. Natürlich muss der Verein es dann als nächsten Schritt auch schaffen, diese Grundlagen mit den richtigen Coachs so zu fördern, dass man die Spieler weiter formen kann, um die erste Mannschaft wieder nach oben zu treiben. Dass Spieler, die Profi werden wollen, zum College gehen wollen, dahin kommen können. Aber die Coachs-Ausbildung läuft ja schon sehr gut, wie ich das mitbekomme. Man muss Kindern, die etwas werden wollen, die Grundlagen geben und sagen “hey, ich unterstütze  dich hier und da”, dann ist das schon die halbe Miete. Was ich den Kindern aber auf den Weg geben möchte, egal wohin sie wollen, mit der richtigen Einstellung kann der Amboss ihnen die Möglichkeit geben, sich weit zu entwickeln. Wenn sie das Potenzial haben, kann der Amboss ihnen auf jeden Fall weiterhelfen überall hinzukommen.

REMSCHEID-AMBOSS.de: Nun stehst Du vor einem weiteren Höhepunkt Deiner Karriere, aber den Amboss scheinst Du noch immer in Dir zu tragen. Kannst Du Dir vorstellen, dass man Dich nochmal beim Amboss sieht? Als Spieler zum Ausklang Deiner Karriere oder später als Trainer?

Poetsch: Vorstellen könnte ich mir irgendwann als Trainer beim Amboss im Jugendbereich zu arbeiten. Ich bin jetzt 31 Jahre alt, hab ein paar Footballjahre auf dem Buckel, muss aber noch innerlich meinen Abschluss als Spieler finden mit dem Helm. Dieses Jahr spiele ich erstmal in der ELF, vielleicht noch ein zweites Jahr und dann schaue ich weiter. Aber der Amboss spielt im Ausbildungsbereich definitiv eine Rolle in meinen Gedanken. Und das ist ja auch der Kernaspekt, den der Verein haben sollte, wenn er eine starke Jugend aufbaut, dass dann der Herren-Bereich davon lebt. Das ist aber ein weiter Weg und geht nicht von heute auf morgen.

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